Archiv für den Monat März 2019

Geliebte Faramee – nicht fort, nur woanders

Ich stehe noch unter Schock. Vor wenigen Stunden musste ich meine geliebte Best-Buddy-Katze Faramee gehen lassen. Vor nicht mal 48 Stunden schien noch alles wunderbar, nichts deutete auf das Drama hin, das folgen sollte.

Am Samstagabend drängelte Faramee mich – wie so oft – noch fast vom Sofa vor Anlehnungsbedürftigkeit, quakte mich erwartungsvoll an, wenn ich nur Richtung Leckerlitüte dachte und folgte mir schliesslich ins Schlafzimmer als ich es angebracht fand, den Tag schlafender Weise abzuschliessen. Das war unser letzter «normale» Tag.

Sonntagmorgen tigerte Faramee zwar wie immer ums Bett, mir fiel aber ihre eigenartig geduckte Körperhaltung auf. Da jedoch ein ordentlicher Sturm ums Haus tobte, vermutete ich diesen als Grund für ihr verstörtes Verhalten.

Als sie allerdings ihr Frühstück verschmähte und nicht einmal für ihre geliebten Leckerli empfänglich war, hielt ich ihr meine Hand hin – quasi fragend, was denn los sei?

Sie hackte mir mit einer Wucht ihre Krallen in meine rechte Hand, dass für einige lange Sekunden weder ich mich noch sie sich aus dieser Situation zu befreien vermochte. Erst war ich schmerzerfüllt, dann sauer. Und dann misstrauisch: Die einstmals kratzbürstige Vampirkatze Faramee hatte mich seit Jahren nie mehr attackiert – nicht einmal, wenn ich sie mal zum Tierarzt schleppen wollte – was war nur mit ihr los?

Noch immer schob ich ihre Verstörtheit auf den Sturm. 

Im Laufe der nächsten Stunden wurde sie immer eigenartiger, fauchte die anderen Katzen an, mit denen sie sonst immer traumverloren geschmust und gespielt hatte, verlangte irgendwann, trotz Sturm auf die Terrasse raus zu dürfen, wonach auch ich endlich begriff, dass der Sturm nicht unser Problem war.

Als ich einen langen Speichelfaden an ihrem Kinn sah, hatte ich die Zeit bereits genutzt zu recherchieren, an welche Tier-Notaufnahme in der Stadt Zürich wir uns an einem Sonntag wenden könnten, nachdem das Zürcher Tierspital seit einer Gesetzesänderung vor rund zwei Jahren nur noch Überweisungspatienten annehmen kann – und Notfälle, die unübersehbar solche sind. Doch noch wollte ich ja nur sichergehen, dass mit Faramee alles wieder gut kommt, glaubte nicht ernsthaft daran, dass ihr Leben akut bedroht sei.

Nach einigen Telefonaten war klar, dass wir in eine Tierklinik nach Regensdorf fahren würden, die mir telefonisch auch bestätigte, dass Faramee gerade alles und nichts haben könnte, wir aber genau darum besser nicht bis Montag warten sollten.

Als mir vollkommen problemlos (mal abgesehen von den erneuten tiefen Krallenpiercings in meiner rechten Hand) gelang, Faramee in ihre Transportbox zu setzen, wusste ich, dass diese meine Katze todkrank sein muss. Ich konnte Faramee noch nie eintüten, ohne dass sie vorher unsere Wohnungseinrichtung geschreddert hat.

Rund zwei Stunden später war aufgrund der Erstuntersuchung klar, dass Faramee plötzlich blind war, was wiederum ihre Verstörtheit hätte erklären können. Noch hoffte ich.

Als mögliche Ursache für plötzliche Blindheit/Aggression/eigentümliches Verhalten/Speicheln wurden mir genannt: Bestenfalls ein epileptischer Anfall, was zwar je nach Ursache auch nicht optimal wäre, aber noch viele Optionen offen gehalten hätte. Im allerschlechtesten Fall ein Hirntumor, der nur noch verdammt wenige Optionen offenhält. Und dazwischen noch ca. 3000 andere mögliche Ursachen, die aber mehr oder weniger immer mit dem einen oder anderen Zuerstgenannten zusammenhingen. Faramees Blutwerte wurden gecheckt und per Röntgen ein Körperscan gemacht, um vielleicht erste Aufschlüsse zu erhalten. Doch beide Befunde waren an sich prima.

Was in dieser Situation nur kurz erfreulich war. 

Die Ärztin erklärte mir, dass Faramees Symptome somit «eine zentrale Ursache» haben müssen. Ich fand Faramees Symptome eigentlich schon die ganze Zeit ziemlich zentral und fragte in meiner Verwirrung nach, was sie damit meine. «Das Gehirn. Irgendwas stimmt in ihrem Gehirn nicht», meinte die Ärztin. Normalerweise mache ich Scherze über sowas: In wessen Katze Hirn stimmt denn irgendwas nicht nicht? Aber mir war nicht nach Scherzen.

Schnell war klar, dass Faramee für weitere Abklärungen und zu ihrer eigenen Sicherheit auf der Intensiv in der Klinik bleibt. Natürlich wurde ich auch nach der Kostenobergrenze gefragt und was im Falle eines Herzstillstandes getan werden solle. Ich wie immer in der Notaufnahme: Grün = Kosten könnten mir egaler nicht sein, solange sie dazu beitragen, dass mein geliebtes Tier nach medizinischer Einschätzung nochmals nennenswerte Lebensqualität erreichen kann. Ohne Garantien. Alles klar. Mehr oder weniger.

Und so fuhr ich mit der leeren Transportbox im Zug nach Hause. Nahm alles nur wie in Dumpfheit gepackt wahr. Inzwischen nieselte es.

Auf der Taxifahrt zuvor zur Klinik sah ich einen so zauberhaft klaren Regenbogen wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Er schien durchs Autofenster nach Faramee greifen zu wollen, um sie zur sprichwörtlichen Brücke zu bringen. Der Taxifahrer sagte noch: Dort am Ende des Regenbogens ist die Tierklinik. Er meinte es gut und ahnte nicht, welch unguten Gefühle der Regenbogen und seine Worte in mir auslösen würden. Ich umfasste Faramees Box und flüsterte dem Regenbogen zu, dass ich Faramee nicht kampflos aufgeben würde. Als wir in der Klinik ankamen, war er fort, stattdessen schien kurz eine wolkenlose Sonne.

Ich hoffte immer noch.

Als ich heute gegen 12.30 erneut in die Klinik fuhr, schneite es. Ich hatte kurz zuvor erfahren, dass bei Faramee ein fast inoperabler Tumor im Gehirn und weitere im Bauchbereich gefunden worden waren. Die Ärztin liess mir allen Entscheidungsspielraum, verheimlichte aber auch nicht, dass die meisten Katzen bei einer solchen Hirntumor-OP sterben und selbst wenn nicht, nicht abzuschätzen sei, was das alles mit ihrem Körper und ihrer Persönlichkeit macht. Hirntumor halt. Ich fragte sie, wie sie entscheiden würde, wäre es ihre Katze. Die Antwort liess nicht wirklich viel Interpretationsspielraum.

Und so liess ich Faramee heute gegen 13 Uhr gehen.

Meine Welt ist aus den Fugen. Sie war trotz FIV nie krank. Sie war bis vor 48 Stunden noch die aufgeweckteste Katze der Welt. Und nun schläft sie für immer.

Ich habe verstanden, dass sie tot ist. Aber ich bin weit davon entfernt, das zu begreifen.

Geliebte Faramee, ich weiss, dass du weisst, wie sehr ich dich liebe (auch wenn ich dich manchmal von der Tastatur schubste, entschuldige bitte).

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Die Wände zwischen den Katzenwelten sind derzeit wieder sehr dünn – und so wirst du ennet dem Regenbogen viele Katzen treffen, die mir und Dosis, die ich sehr mag, sehr am Herzen liegen. Natürlich deine Co-Sternlis Omar, Mathilde, Mogwai, Sahib, Max und LouLou. Aber auch jene, die dir erst in den letzten wenigen Wochen vorangingen: Pooh, Fritzi, Kurti, Queenie, Krümel, Lady Summerfield und Myiagi, Tommy Lee und viele mehr.

Die Wände sind dünn. Du bist nicht fort – nur woanders 😢❤️

Ich liebe dich für immer und noch weit darüber hinaus, mein geschecktes Herz. Danke, dass du hier bei uns warst – und immer sein wirst.


Zu Faramees Ehren werde ich in den nächsten Tagen ihre Geschichte hier nochmals erzählen. In den Worten von damals. In der Liebe von heute.